Empfehlungen

Hate Speech zu bekämpfen und ein respektvolles, demokratisches und friedliches Zusammenleben zu fördern, ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft. Dabei sind sowohl der Staat als auch die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft gefragt.

Deshalb hat das No Hate Speech Komitee Empfehlungen erarbeitet.

Aktualisiert, 04. Dezember 2024

 

PRÄAMBEL

Das im Juni 2016 gegründete Nationale Komitee zur Umsetzung und Weiterführung der „No Hate Speech“-Initiative des Europarates, kurz „Nationales Komitee No Hate Speech“, mit 38 Mitgliedern (Stand September 2024), hat es sich zur Aufgabe gemacht, für das Thema Hass im Netz zu sensibilisieren, Hass im Netz entgegenzuwirken sowie Maßnahmen gegen Hassrede (Hate Speech) anzuregen und zu unterstützen.

Das Nationale Komitee No Hate Speech ist eine Plattform relevanter Akteur*innen im Bereich Hate Speech und Antidiskriminierung und bündelt die Expertise seiner Mitglieder aus Wissenschaft, Politik/Verwaltung, dem Non-Profit-Bereich und Wirtschaft.

Unter Hate Speech versteht das Nationale Komitee No Hate Speech: Äußerungen, die zu Hass anstiften, verhetzen und/oder für bestimmte Gruppen verletzend oder beleidigend sind. Hassreden können in allen Medien (analog/digital), im öffentlichen Raum in Wort und Bild stattfinden.

Hate Speech entgegenzuwirken sowie ein respektvolles, demokratisches und friedliches Zusammenleben zu fördern, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der staatliche Akteur*innen und die Internetwirtschaft gleichermaßen gefordert sind wie Akteur*innen der Zivilgesellschaft. Ihre Aufgabe ist es, auf nationaler und internationaler Ebene einen gemeinsamen Standard zum Schutz der Menschenrechte (online) zu entwickeln, der sich an den Prinzipien und Empfehlungen des Europarats, der EU und der VN orientiert.[1]

Politische Entscheidungsträger*innen und Vertreter*innen von öffentlichen Einrichtungen und Institutionen sollten sich ihrer Vorbildwirkung bewusst sein und ihre Verantwortung in der Bekämpfung von Hate Speech wahrnehmen.

Maßnahmen müssen sowohl auf gesetzlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene ansetzen.

 

EMPFEHLUNGEN

  1. Verständigung auf eine einheitliche Begrifflichkeit von Hate Speech als Grundlage für den gesellschaftspolitischen Dialog über Hate Speech und für Aktivitäten u.a. in den Bereichen Prävention, Öffentlichkeitsarbeit, Sensibilisierung und Bekämpfung von Hate Speech. Dies sollte unter Beteiligung aller relevanten Akteur*innen zur Sicherstellung einer umfassenden und inklusiven Begriffsdefinition erfolgen.
  2. Evaluierung der bestehenden Gesetze sowie deren Anwendung und Durchsetzung im Hinblick auf Verständlichkeit, Effektivität, sprachliche Sensibilität und Verbesserungspotential unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteur*innen.
  3. Stärkung und Finanzierung von Maßnahmen auch außerhalb des strafrechtlichen Rahmens (u.a. Unterstützung bei der Erstellung von Gegenrede-Tools, Gegenrede-Kampagnen, Stärkung digitaler Zivilcourage, verstärkte Förderung von bewusstseinsbildenden Maßnahmen), um der steigenden Anzahl von Hate Speech zu begegnen. Verstärkte Täter*innen-Arbeit.
  4. Der Digital Service Act (DSA)[2] und das DSA-Begleitgesetz[3] haben bereits einen soliden Rahmen zur Regulierung digitaler Dienste in der EU geschaffen. Zukünftig wird jedoch eine nachhaltige Finanzierung unabhängiger Meldemechanismen erforderlich sein.
  5. Implementierung und Förderung konkreter Monitoring-Maßnahmen auch unabhängig von bestehenden Instrumenten wie beispielsweise die von der EU-Kommission initiierte Überprüfung der Löschpraktiken von IT-Unternehmen.
  6. Finanzierung und Initiierung von wissenschaftlicher Forschung zu Hate Speech, insbesondere von lebensweltlich orientierter Langzeitforschung, die Entstehungsbedingungen von Hate Speech untersucht, Grundlagen für Präventionsmaßnahmen liefert und Möglichkeiten zur Steigerung von Resilienz und Kompetenz im Umgang mit Hate Speech aufzeigt.
  7. Umfassende Aufstockung der Ressourcen der mit der Thematik befassten Behörden und Organisationen (wie Strafverfolgungsbehörden, Bewährungshilfe), um der raschen technologischen Entwicklung gerecht zu werden.
  8. Angemessene finanzielle Ressourcen für NGOs/NPOs, die im Themenfeld Hate Speech arbeiten, um die Pluralität der Zugänge und die notwendigen Expertisen sicherzustellen. Durch eine verstärkte Professionalisierung soll u.a. die Qualität der Meldungen an diverse Plattformen gesteigert werden.
  9. Finanzierungen für systematische Dokumentation, Auswertung und Analyse zur Identifizierung von Themenfeldern, Täter*innen-Gruppen und Ausformungen von Hate Speech als Grundlage zur Entwicklung von spezifischen Maßnahmen, die Hate Speech entgegenwirken.
  10. Förderung von Medienkompetenz und Menschenrechtsbildung, Schulungen der notwendigen Multiplikator*innen in Handlungsfeldern der formalen und nonformalen Bildung wie z.B. Schule, Pädagog*innen-Ausbildung, Jugendarbeit, Erwachsenenbildung und Elternbildung. Stärkung digitaler Kompetenzen im Sinne der „digital citizenship education“ des Europarats.[4]
  11. Capacity Building und Bewusstseinsbildung: Rascher Ausbau von Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen der Exekutive und Judikative für den Themenkomplex Hate Speech (online).
  12. Bereitstellung von Ressourcen, um ein breiteres Bewusstsein zu schaffen, dass KI-Technologien insbesondere LLM´s (Large Language Models) tendenziell geschlechterspezifische, rassistische, homo- und transfeindliche Vorurteile reproduzieren. Es besteht die Gefahr, dass eine unreflektierte Nutzung der KI-basierten Technologien sowohl in Bild als auch in Sprache Diskriminierungen fördert und zur Desinformation beiträgt.[5]
  13. Bereitstellung niederschwelliger und zielgruppenspezifischer Informationen über Rechte und Handlungsoptionen, im speziellen für Betroffene von Hate Speech. Dies kann von Infokampagnen für Jugendliche auf Social-Media-Plattformen über Maßnahmen zur Steigerung der Medienkompetenz älterer Personen bis hin zur Nennung von Good-Practice-Beispielen reichen.
  14. Ausbau und Erhalt von zentralen und dezentralen Anlaufstellen und Beratungseinrichtungen für Betroffene und Zeug*innen von Hate Speech. Schaffung spezialisierter, niederschwelliger und barrierefreier Zugänge für unterschiedliche Gruppen, die besonders von Hate Speech betroffen sind, wie z.B. aufgrund von ethnischer Zugehörigkeit, Religionszugehörigkeit, Behinderungen, sexueller Orientierung, Geschlecht, oder Alter.
  15. Ambitionierte Verhandlungsposition Österreichs bei den laufenden Verhandlungen der neuen EU – Opferschutzrichtlinie hinsichtlich des verbesserten Schutzes Betroffener von Hate Speech und deren umfassende Umsetzung, sobald sie in Kraft tritt.
  16. Um die Weiterverbreitung hetzerischer Inhalte und Falschmeldungen durch Medien künftig einzudämmen, sollte die Vergabe finanzieller Förderungen z.B. der Presseförderung an die verpflichtende Einhaltung menschenrechtskonformer, ethischer Kodizes wie etwa den Ehrenkodex für die österreichische Presse gekoppelt werden. Sensibilisierung von Medienvertreter*innen und anderen Stakeholdern über die Verbreitung von Hassrede und Falschinformationen.
  17. Entwicklung von Strategien zur Einbeziehung sogenannter alternativer Medien in die Einhaltung menschenrechtlicher Standards, ohne die Pressefreiheit zu gefährden. Förderung der Unterscheidung zwischen seriösen Medienangeboten und solchen, die Hate Speech verbreiten, im Rahmen von Medienkompetenzprogrammen.
  18. Strukturellen Austausch initiieren und aufrechterhalten zwischen staatlichen, sozialpartnerschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen aus den Bereichen Soziales, Bildung, Forschung, Wirtschaft. Strukturellen Ausbau, Bündelung und Sicherstellung von Netzwerken (wie das Nationale Komitee No Hate Speech) gewährleisten sowie (finanzielle) Unterstützung von Wissenstransfer zwischen regionalen, nationalen, internationalen Netzwerken. Etablierung von transparenten und strukturierten Beteiligungsprozessen, um die Expertise der Zivilgesellschaft effektiv zu nutzen.
  19. Stärkung der Struktur durch Ergänzung des Komitees No Hate Speech durch eine Task Force für die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur Bekämpfung von Hate Speech sowie die Erstellung eines nationalen Aktionsplans. Systematische Einbindung von zivilgesellschaftlichen Organisationen in diese Task Force. Sie soll mit dem Komitee organisatorisch verknüpft sein und die erarbeiteten Instrumentarien sollen inhaltlich rückgekoppelt werden.
  20. Intensivierung der Zusammenarbeit und Stärkung der Kooperation zwischen zentralen Anlauf- und Beratungsstellen und Behörden, um Synergien freizusetzen, die effektive Nutzung der Ressourcen sicherzustellen und den größtmöglichen Nutzen zu erzielen (insbesondere verbesserter, strukturierter Informationsaustausch über besondere Bedürfnisse von Betroffenen und verbesserte betroffenenzentrierte Orientierung über verfügbare Beratungsstellen).

Das Nationale Komitee No Hate Speech bekräftigt seine Verpflichtung zur Bekämpfung von Hate Speech und zur Förderung einer respektvollen und inklusiven Gesellschaft. Die hier vorgestellten Empfehlungen bieten einen Rahmen für Maßnahmen auf allen Ebenen und betonen die Bedeutung von Zusammenarbeit und Austausch zwischen allen beteiligten Akteur*innen.

 

Erstellt: Nationales Komitee No Hate Speech Österreich

Rückfragehinweis:

Verena Fabris, Koordination Nationales Komitee No Hate Speech
Verena.fabris@boja.at
T. +43 660 63388944
www.nohatespeech.at

 

Quellen

[1] Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte 2023 (online content moderation – current challenges in detecting hate speech), Rede Ursula von der Leyen, 19.02.2020; Bericht des UN-Sonderberichterstatters zur Meinungsfreiheit David Kaye am 9.10.2019; Empfehlung des Europarats über die Rolle und Verantwortung von Internet-Intermediären, 07.03.2018 Rz. 1.2.4.

[2] Verordnung (EU) 2022/2065

[3] DSA-Begleitgesetz, BGBl. I Nr. 182/2023 idF 30.12.2023

[4] European Year of Digital Citizenship Education 2025 – Education (coe.int)

[5] UNESCO, IRCAI (2024). „Challenging systematic prejudices: an Investigation into Gender Bias in Large Language Models“. https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000388971